Die Empfehlungen » Belletristik http://die-empfehlungen.net http://www.die-empfehlungen.net Fri, 06 Jun 2008 11:01:39 +0000 http://wordpress.org/?v=2.5.1 en Mit den Bummelzug zur Selbsterkenntnis http://die-empfehlungen.net/2008/02/17/l-clmit-den-bummelzug-zur-selbsterkenntnis/ http://die-empfehlungen.net/2008/02/17/l-clmit-den-bummelzug-zur-selbsterkenntnis/#comments Sun, 17 Feb 2008 11:00:21 +0000 Wolfgang Ruge http://die-empfehlungen.net/2008/02/17/l-clmit-den-bummelzug-zur-selbsterkenntnis/ Rezension zu Pascal Merciers „Nachtzug nach Lissabon“

Inhalt

Raimund Gregorius ist Lehrer für die Sprachen des Altertums. Aufgrund seines Wissens wird der sehr korrekte Lehrer Mundus genannt. Eines Morgens trifft er auf dem Weg zur Arbeit auf eine Portugiesin. Die Begegnung ändert etwas in Mundus, er bekommt das Gefühl, in seinem Leben fehle etwas. Er verlässt mitten im Unterricht das Klassenzimmer und begibt sich in eine Buchhandlung. Dort kauft er ein Buch des portugiesischen Arztes Amadeu de Prado und beginnt dieses für sich zu übersetzen. Die Sätze Prados enthalten eine Weisheit, die in Gregorius den Wunsch reifen lassen, diesen kennen zu lernen. Er reist mit dem Nachtzug nach Lissabon und begibt sich auf die Suche nach Prado. Schnell erfährt er, dass Prado vor knapp 30 Jahren verstorben ist und das Buch posthum von seiner Schwester herausgegeben wurde. Für Gregorius ist dies kein Grund aufzugeben, er beschließt herauszufinden, was Prado für ein Mensch war und nimmt Kontakt mit dessen Familie und Freunden auf. Während der Nachforschungen erfährt Gregorius viel über Prado. Je mehr er den Arzt versteht, desto mehr beginnt Gregorius mit seinem bisherigen Leben abzurechnen.

Rezension

Am „Nachtzug nach Lissabon“ scheiden sich die Geister der Kritiker. Dies ist mehr als verständlich, da Pascal Mercier ein Buch voller Widersprüche geschrieben hat. Der größte Widerspruch ist wohl der zwischen Form und Inhalt. Das Buch quillt gerade zu über von Lebensweisheit und intelligenten, wenn auch teilweise etwas abgehobenen, Gedankengängen. Als Leser hat man das Gefühl, dass Mercier einem etwas mitteilen will, die Selbsterkenntnisreise Gregorius‘ könnte auch zur Selbsterkenntnisreise des Lesenden werden.

Im Gegensatz zu dieser Weisheit steht die Form, ein Roman. Das Anliegen des Buches scheint irgendwo zwischen Wissenschaft und Ratgeber angesiedelt zu sein und dennoch schreibt Mercier Belletristik. Eine Entscheidung, die sich leider nicht immer als glücklich erweist. Ab und zu hat man das Gefühl Mercier würde einem hochintelligenten Gedankengang folgen, führt diesen aus, hat aber vergessen, dass sich um die Weisheiten Prados noch die Geschichte von Gregorius rankt. Wenn es ihm dann doch einfällt, benötigt es Sätze über neun Zeilen hinweg, um Mundus die Gedanken verarbeiten zu lassen. Manchmal ist weniger mehr.

Ein weiterer Gegensatz sind die Charakterisierungen Merciers. Gregorius wird in aller Breite als hochgebildeter, aber etwas steifer, Beamter charakterisiert. Man hat das Gefühl ihn zu kennen, aber auf einmal trifft er eine Entscheidung, die schwer bis nicht nachzuvollziehen ist.

Die Nebenfiguren schwanken zwischen Person und Funktionen. Bei Wenigen hat man das Gefühl, sie seien eigenständige Figuren. Die meisten scheinen nur die Funktion zu haben Amadeu de Prado himmelhoch jauchzend zu loben.

Prado selbst ist, gelinde gesagt, einseitig charakterisiert. Hochintelligent, charmant, gutaussehend. Ein Genie, das schon zu Schulzeiten alle überragte. Gregorius liest Texte aus verschiedenen Abschnitten von Prados Leben. Alle sind auf einem sehr hohen sprachlichen Niveau. Der 17jährige Schüler Prado ist genauso so eloquent wie der dreißigjährige Arzt. Auch scheint sich Prado im Laufe des Lebens nicht verändert zu haben. Lediglich die letzen Jahre vor seinem Tod scheint ein Wandel zu erkennen zu sein. Der Grund: Eine Frau. Studium und die berufliche Arbeit als Arzt scheinen Prados Sichtweise der Welt nicht beeinflusst zu haben. So scheint es, Prado ist mehr ein Behältnis für eine Botschaft als eine Person.

Was bleibt zum Roman zu sagen? Es gibt spannende Passagen in denen man das Buch nicht weglegen möchte; es gibt aber auch Passagen in denen man sich von Satz zu Satz quält und sich fragt, wann Mercier denn endlich mal zum Punkt kommt. Ein Buch voller Widersprüche halt, ein Buch voller Ungewissheit. Zu dieser Ungewissheit passt auch der offene Schluss. Wie der Leser, der nicht weiß was er mit den vielen Gedanken anfangen soll, scheint auch Gregorius diese noch nicht verarbeitet zu haben.

Fazit

Ein Buch voller Widersprüche. Ein Buch voller Licht und Schatten. Im Gesamtbild weder Genial noch Schlecht. Trotz aller Widersprüche hat mich die Geschichte Gregorius‘ interessiert, weshalb das Pendel leicht in Richtung Gut ausschlägt. NICHT ÜBEL + (2,7).

Bibliographische Daten

Pascal Mercier: Nachtzug nach Lissabon.
Btb, 2006,496 Seiten, Taschenbuch.
ISBN: 978-3442734368

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Reiseziel: Tod http://die-empfehlungen.net/2007/12/16/reiseziel-tod/ http://die-empfehlungen.net/2007/12/16/reiseziel-tod/#comments Sun, 16 Dec 2007 11:00:15 +0000 Janka Ptacek http://die-empfehlungen.net/2007/12/16/reiseziel-tod/ Rezension zu “LEA” von Pascal Mercier

Inhalt

Adrian Herzog, der auch der Erzähler des Romans ist, sitzt in Saint-Rémy im Café und trifft dort zufällig einen Berner Landsmann. Kaum bekannt gemacht, beschließen die Männer, ihren Heimweg gemeinsam anzutreten; beide mit einem gefühlsschweren „Päckchen“ beladen. Doch das des Fremden ist größer, als das von Adrian. Und so wird die Fahrt fast ausschließlich eine Reise durch die Geschichte von Martijn van Vliet und seiner Tochter Lea.

Von Anfang an ist klar, dass die puzzleweise berichteten Ereignisse sich überschlagen und in einer Katastrophe enden werden. Doch Adrian fährt weiter und hört zu. Hört von dem Tod der Frau und Mutter, von der Trauer und der Geigenmusik, die für die Zurückgelassenen anfänglich alles zum Guten zu wenden schien und am Ende doch nur wieder den Tod in neuen Kleidern brachte.

Es ist die Geschichte von Lea van Vliet - einem ehrgeizigen kleinen Mädchen, einer gefeierten Geigerin, einer zerbrochenen Seele. Und es ist die Geschichte eines Vaters, der sein Leben dem der Tochter kompromisslos unterordnet und bei dem Versuch ihrer Rettung im Morast aus Moral, Eifersucht und Hilflosigkeit versinkt.

Zusammen mit dem Buch endet auch die Geschichte, enden Lea und ihr Vater. Nur Adrian bleibt übrig, noch ein bisschen nachdenklicher, fahler und unscheinbarer als zu Beginn des Romans.

Rezension

Nein, ich habe “Nachtzug nach Lissabon” nicht gelesen. Die heftigen Diskussionen über LEA, die vernichtenden Kritiken der Feuilletonisten und die Berichte über die Rettungsaktionen der Buchhändler habe ich dagegen mit äußerstem Interesse verfolgt. LEA - ein Buch, das ich beladen mit Vorurteilen konsumiert habe.

Erwartet habe ich eine schnulzige Liebeserklärung an ein Kind und die Musik. Erhalten habe ich das Gegenteil. LEA ist für mich eine Geschichte über die Abwesenheit von Gefühlen, über Taubheit und Todessehnsucht. Eine Erzählung, die hinter den Worten einen inneren Dialog transportiert - das inwendige Streitgespräch zwischen Jenseitswunsch und aufoktroyierter Gute-Laune-Moral.

Dadurch, das eine der Romanfiguren eine Geschichte erzählt, über einen Mann, der eine Geschichte erzählt und dabei selbst wiederum in Gedanken die Vergangenheit reflektiert, ist der Text erwartungsgemäß von einem ständigen Zeitenwechsel befallen. Rein handwerklich eigentlich ganz geschickt umgesetzt, hat es mich als Leser doch mehr als einmal irritiert und im Verlauf teilweise sogar genervt.

Eine berührende Geschichte über Hilflosigkeit. „Warum hast du nichts unternommen?“, frage ich diesen Vater und merke, dass der Autor mich erfolgreich an meinen Gefühlswurzeln gepackt hat. Das gibt Bonuspunkte.

Aber warum um Himmels willen hat er Adrian im Stich gelassen? Habe ich die Spur seiner Entwicklung zwischen den Zeilen verloren? Ist diese leere Figurenhülle symbolisch gemeint? Wenn ja, fehlt mir der Schlüssel für den Zugang. Schade.

Fazit

Eine Geschichte, deren offensichtlichem Gang man als Voyeur auf einem verschlungenen Erzählpfad folgt, um dieser Tragik nachzuspüren. Leider bleibt die Erzählfigur dabei auf der Strecke. Trotzdem durchaus GUT - (2,3).

Bibliographische Daten

Pascal Mercier: LEA.
Hanser, 2007, 256 Seiten, Gebundene Ausgabe.
ISBN: 978-3446209152

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