Wiener Roulette
Rezension zu “Wiener Roulette” von Uschi Zietsch (Hrsg.)
Grundsätzliches
„Wiener Roulette“ ist eine Anthologie, bei der sich eine Gruppe Wiener Autorinnen und Autoren zusammengefunden hat, um zwanglose Geschichten über Wien zu erzählen. Obwohl viele dieser Autoren schon einmal für „Perry Rhodan“ geschrieben haben, begeben sich die Kurzgeschichten nicht ins All hinaus, sondern bleiben in Wien und der näheren Umgebung.
Die Geschichten im Einzelnen
Ernst Vlcek et. al.: Wiener Roulette
Inhalt:
Im Wien der Zukunft sind die Renten knapp. Das Wiener Roulette bietet jedem die Möglichkeit seine Rente zu verlängern, wenn er dafür einen anderen Rentenempfänger umbringt.
Rezension:
Hoffnungslos übertriebenes Szenario, das eine literarische Version des Film Noirs schaffen möchte, aber lediglich in der Verwendung einer hoffnungslos übertriebenen, vulgären Gossensprache erstickt. Bei keiner Figur lässt sich Individualität herauslesen. Wenigstens sind die Todesarten skurril und die Wendung am Ende überraschend.
Ausreichend (4,0)
Leo Lukas und Michael Marcus Thurner: ElternabendInhalt:Mütter sitzen beim Elternabend und streiten sich in schwer verständlichem Deutsch. Lediglich eine Türkin bekommt einen grammatikalisch sauberen Satz zu Stande.
Rezension:
Absoluter Non-Sense. Was vielleicht als subtile Kritik an Vorurteilen gegen Immigranten gedacht sein könnte, erweist sich in der Praxis als langweilige Wiedergabe von Beschimpfungen.
Grausam (6,0)
Michael Marcus Thurner: Aus dem Leben des Thaddeslav WyrmbromInhalt:Ein Angestellter aus der Verwaltung beschwört einen Dämon, um seine Konkurrenten aus dem Weg zu räumen und muss feststellen, dass auch die Hölle ein bürokratisches Gebilde ist.
Rezension:
Kleine Stichelei gegen verstaubte Amtsstuben, die den bösen Dämonen-Mythos hops nimmt. Amüsant zu lesen. Leider wird schnell klar, worauf es hinausläuft.
GUT+ (1,7)
Ernst Vlcek: Nur ein kleiner WapoInhalt:In der Zukunft ist Wasser knapp. Ein Wasserpolizist wittert die Chance, dem Konzern, der die Wasserversorgung monopolartig kontrolliert, ein Schnippchen zu schlagen.
Rezension:
Altbekanntes Szenario: Ein Gut/Produkt ist knapp und ein kleiner Niemand wittert die Chance seines Lebens. Solides, aber nicht überragendes, Szenario, das solide aber nicht überragend erzählt wird. Am Ende fehlt die Überraschung, überhaupt fehlt irgendwie das I-Tüpfelchen.
Nicht Übel – (3,3)
Uschi Zietsch: Mein Wiener FlittchenInhalt:Himmelsbewohner entführen ein menschliches Individuum namens Bradpitt aus Wien.
Rezension:
Amüsante Geschichte, in der viele Figuren aus dem Volksmund (z.B. der Herr Sommer) personalisiert werden, und als liebenswerte Personen mit so kleinen Macken dargestellt werden. Ein Appell für Gefühl innerhalb einer zu stark rationalisierten Welt. Am Ende etwas zu viel „Friede, Freude, Eierkuchen“. Beste Geschichte innerhalb der Anthologie.
SEHR GUT– (1,3)
Michael Wittmann: Trance FusionInhalt:Außerirdische funktionieren die Menschen durch Werbung und Talkshows zu willigen Konsumenten um.
Rezension:
Trance Fusion ist eine Geschichte, die die überhöhte Rolle von Konsum und Besitz kritisiert und die Zustände im Fernsehen auf ironische Weise überspitzt. Recht amüsant.
GUT+ (1,7)
Regina Lysonek: WeihnachtslosInhalt:Kleines Mädchen muss Weihnachten zu ihrer Nachbarin, weil ihre Großeltern etwas Wichtiges zu tun haben und wird am Ende positiv überrascht.
Rezension:
Liebevoll erzählte Weihnachtsgeschichte, die einen versöhnlichen Abschluss des Buches darstellt. Jedoch ahnt man als Leser worauf es hinausläuft. Es ist eine Weihnachtsgeschichte – die, wie es sich nun mal gehört, mit einem glücklichen Kind endet.
GUT (2,0)
Fazit
Anthologie mit Licht und Schatten. Da die Titelgeschichte viel Raum einnimmt, teilt sich das Verhältnis so 50:50. Vielleicht fehlt mir als Nordlicht der Sinn für den Wiener Humor, aber irgendwie vermochte der Funke nicht immer überzuspringen.
Ich möchte hier keine Gesamtwertung abgeben, da bei jeder Anthologie aufgrund der vielen Autoren immer Geschichten dabei sein werden, die den Geschmack des Lesers nicht treffen. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wie viele gute Stories nötig sind, um eine Kaufempfehlung auszusprechen.
Bibliographische Daten
Uschi Zietsch (Hrsg.): Wiener Roulette.
Fabylon, 2006, 240 Seiten, Taschenbuch.
ISBN: 978-392707115-5